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Beiträge zu aktuellen rechtlichen Themen finden Sie allmonatlich im Stadtmagazin Willi unter der Rubrik Infomercial „Alles was recht ist“.


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11.2021

Der Kindesmindestunterhalt und das „letzte Hemd“

Wenn es um den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder geht, dann kennen die Familiengerichte keine Gnade.

Nach den gesetzlichen Regelungen besteht gegenüber minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung.
Soweit das Existenzminimum eines Kindes nicht gesichert ist, wird dem barunterhaltspflichtigen Elternteil deutlich mehr abverlangt, als im Normalfall.
Er oder sie muss sich besonders intensiv um eine Arbeitsstelle bemühen und ist grundsätzlich sogar gehalten, Gelegenheitsarbeiten oder berufsfremde Tätigkeiten auszuüben.
Wer nicht bereits 40 Stunden in der Woche arbeitet, muss notfalls Überstunden machen oder einen Nebenjob annehmen.

Reichen die erzielbaren Einkünfte selbst dann zur Deckung des Mindestunterhaltes nicht aus,
muss die unterhaltspflichtige Person nach § 1603 Abs. 2 BGB „alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden“, also buchstäblich „das letzte Hemd“ teilen.

Hierzu war ein Vater, der rund 2.160,00 € Krankengeld bezog und Darlehenszinsen in Höhe von monatlich 1.000,00 € sowie daneben eine Nutzungsvergütung von monatlich 700,00 € an seine Eltern bezahlen musste, nicht bereit.
In dem Fall, mit dem sich das OLG Frankfurt Mitte diesen Jahres zu befassen hatte, verlangte die Mutter den Mindestunterhalt für zwei eheliche minderjährige Kinder.
Der Vater war der Auffassung, er müsse den Resterlös in Höhe von 175.000,00 € aus der Veräußerung des Familienheims nicht für den Unterhalt seiner beiden Sprösslinge einsetzen. Er wurde hier eines Besseren belehrt.
Das Amtsgericht hatte ihn in 1. Instanz zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhaltes verurteilt und sämtliche von ihm geltend gemachten Abzugspositionen abgelehnt. Dagegen wendete sich der Kindesvater erfolglos mit der Beschwerde.
Das Oberlandesgericht vertrat die Auffassung, dass der Vater den Geldbetrag in Höhe von
175.000,00 € (mit Ausnahme eines so genannten Schonvermögens in Höhe von 5.000,00 €) gleichermaßen für den Mindestunterhalt seiner Kinder und seinen eigenen Unterhaltsbedarf einzusetzen habe.

Auch wer sich in seiner aktuellen Beziehung für einen Rollenwechsel entscheidet und im Einvernehmen mit dem neuen Partner / der neuen Partnerin die Haushaltsführung und
ggfs. Kindesbetreuung übernimmt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit nur seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der neuen Familie erfüllt, aber nicht gegenüber den minderjährigen Kindern aus der gescheiterten Beziehung. Diesen gegenüber bleibt die Barunterhaltsverpflichtung bestehen.
Bevor man seine Arbeitsstelle aufgibt, sollte man sich also in jedem Fall beraten lassen.

Text: Birgit Schwerter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht



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