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12.2020

Geisterscheidung

Kontaktfrei auseinander gehen - „Geisterscheidung“ in Corona-Zeiten

Infolge der Pandemie läuft gegenwärtig sehr vieles anders ab, als gewohnt bzw. in manchen Bereichen läuft faktisch überhaupt nichts mehr.
Wer hätte gedacht, dass man einmal über Wochen oder gar über Monate hinweg nicht mehr in ein Konzert, ins Theater, ins Kino oder in ein Restaurant gehen kann? Genauso abwegig war bis vor Kurzem die Vorstellung von Fußballspielen, die ohne Zuschauer stattfinden (sogenannte „Geisterspiele“).

Auch die Justiz blieb von den Auswirkungen der steigenden Corona-Zahlen nicht verschont.
Viele Termine mussten in der letzten Zeit verschoben oder verlegt werden.
Aus diesem Grund sind die Familiengerichte vermehrt dazu übergegangen, einvernehmliche Scheidungen im schriftlichen Verfahren – also ohne persönliche Anhörung bzw. Vernehmung der beteiligten Ehegatten – durchzuführen.

In § 128 des Gesetztes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) heißt es dazu: „Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der Ehegatten anordnen und sie anhören“.
Die persönliche Anhörung ist also die Regel.
In Vor-Corona-Zeiten wurde daher grundsätzlich ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, in dem dann beide Ehegatten zu den sogenannten Standes- und Trennungstatsachen vernommen wurden, im Anschluss erfolgte die Verkündung des Scheidungsbeschlusses.
Allerdings handelt es sich bei § 128 FamFG eben um eine „Soll-Vorschirft“, von der Ausnahmen zugelassen werden können, und zwar vor allem dann, wenn beide Ehegatten die Scheidung wünschen und der Sachverhalt unstreitig ist.
Hierzu müssen die Beteiligten dann schriftlich erklären, dass sie auf ihr Recht zur persönlichen Anhörung verzichten.
Ferner sind insbesondere Angaben zum Trennungszeitpunkt und zum Scheidungswillen zu machen.

Sogar eine Vereinbarung – beispielsweise zum Versorgungsausgleich – kann auf schriftlichem Wege abgeschlossen werden.
Für den Fall der Scheidung hat das Gericht grundsätzlich über den Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanrechte zu entscheiden.
Wollen die Ehegatten beispielsweise einen (Teil-)Verzicht erklären oder aber Anrechte miteinander verrechnen, so kann das Zustandekommen des Vergleiches durch schriftlichen Gerichtsbeschluss festgestellt werden.

Das Familiengericht bestimmt sodann einen Verkündungstermin, in dem die Scheidung (ggfs. mit Versorgungsausgleich) ausgesprochen wird.
Bei diesem Verkündungstermin ist außer dem Richter / der Richterin niemand anwesend.
Die Entscheidung geht den Beteiligten in schriftlicher Form zu.
Auf diese Weise können einvernehmliche Scheidungen quasi „kontaktfrei“ und ohne gesundheitliche Risiken sowie zeitliche Verzögerungen für die Beteiligten abgewickelt werden.

Text: Birgit Schwerter, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht



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