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01.2023

Residenzmodell vs. Wechselmodell - Was ist für besser für Kinder und Eltern?

Anlässlich einer Trennung oder Scheidung müssen sich die Eltern u. a. darüber verständigen, bei wem die gemeinsamen Kinder künftighin ihren Lebensmittelpunkt haben sollen bzw. ob ein Wechselmodell praktiziert werden kann.
Ist keine Einigung zu erreichen, entscheidet das Familiengericht.

Unter einem klassischen Residenzmodell versteht man ein Betreuungsarrangement, bei dem die Kinder mehr als 70 % der Zeit mit dem hauptbetreuenden Elternteil und demzufolge weniger als 30 % mit dem anderen Elternteil verbringen.

Dem gegenüber steht ein paritätisches Wechselmodell, bei dem die Kinder annähernd 50 % der Zeit beim Vater und 50 % der Zeit bei der Mutter verbringen.
Vorstellbar ist aber auch ein asymmetrisches Wechselmodell, hierbei leben die Kinder zwischen 30 % und 49 % der Zeit beim einen Elternteil und den Rest der Zeit bei dem anderen Elternteil.

Ein Wechselmodell kann nur gelingen, und auch nur dann durch das Familiengericht angeordnet werden, wenn zwischen den betreuenden Elternteilen eine ausreichende Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft besteht. Gibt es keinerlei Konsens, scheidet das Wechselmodell in aller Regel von vornherein aus.

Aus rechtlicher Sicht ist das Kindeswohl das wichtigste Kriterium für die Entscheidung des Familiengerichts.

Eine Studie des Instituts für Soziologie der Universität Duisburg-Essen und des Instituts für Familienrecht der Philipps-Universität Marburg hat den ersten Teil des Forschungsprojekts "Familienmodelle in Deutschland" dem Wohlbefinden von Kindern im Wechselmodell gewidmet und im zweiten Teil des Projekts das Wohlbefinden der Eltern untersucht.
Ziel des zweiten Teils der Studie war es, den Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Betreuungsmodell und dem Wohlbefinden von hauptbetreuenden Eltern zu untersuchen und die Unterschiede zwischen Residenz- und Wechselmodellfamilien herauszuarbeiten. Diese Ergebnisse wurden in der Dezemberausgabe der FamRZ 2022 veröffentlicht. Die Auswertung der Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie die bereits im Jahr 2021 vorgestellten Resultate zum Wohlbefinden der Kinder. Die statistischen Analysen zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem Wechselmodell und verschiedenen Dimensionen elterlichen Wohlbefindens festzustellen ist. Im Vergleich zu betreuenden Vätern und Müttern mit Residenzmodell weisen Elternteile, die ein Wechselmodell praktizieren, ein höheres psychisches und soziales Wohlbefinden auf.
Hervorzuheben ist auch, dass Mütter im Wechselmodell ihr ökonomisches Wohlbefinden höher einschätzen als hauptbetreuende Mütter mit Residenzmodell. Zweifellos sind allgemeine Aussagen über die Auswirkungen des jeweiligen Betreuungsmodells nicht möglich und das Wechselmodell kein Patentrezept. Als wichtiges Ergebnis der Studie lässt sich jedoch festhalten, dass auch im Hinblick auf das Elternwohl viele Gründe dafür sprechen, dem Wechselmodell gegenüber offen zu sein und dieses in seinen verschiedenen Ausprägungen (als symmetrisches oder asymmetrisches Wechselmodell) durchaus als alternative Betreuungsoption in Betracht zu ziehen.

Text: Birgit Schwerter, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht



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